In einem abgelegenen Dorf im Pazifikstaat Vanuatu sitzt Sikor Natuan in einem alten Feigenbaum. Liebevoll drückt sich der 38-Jährige ein verblichenes Porträt des britischen Prinzen Philip an seine tätowierte Brust. Erst kürzlich feierte er ausgiebig den 89. Geburtstag des Ehemanns von Queen Elizabeth II. Jetzt bereitet sich Natuan auf die Feiern des runden Jubiläums im kommenden Jahr vor. Dass Philip noch nie einen Fuß in das Dorf gesetzt hat, spielt für Natuan keine Rolle. Hier in Yaohnanen auf der Insel Tanna, wo die Männer nur einen Penisschutz aus Gras tragen und Tabak und Marihuana wild wachsen, wird der britische Prinz als Gottheit verehrt.
„Unser Glaube an Philip ist stark“, sagt Natuan. Wie alle Einwohner ist er fest davon überzeugt, dass der Brite von seiner Insel kommt. Der in Griechenland geborene Gatte der britischen Königin Elizabeth II. ist den Dorflegenden zufolge Nachkomme eines Mannes aus dem heiligen Berg Tukosmera, an dessen Fuße das Dorf liegt.
Yaohnanen ist eine Ansammlung von Grashütten tief im Inneren von Tanna. Es gibt weder fließendes Wasser noch Strom und eine hohe Analphabetenrate. Ausgemergelte Hunde streunen herum, Schweine und Hähne laufen durchs Dorf. Die Einwohner versorgen sich mit Wasser aus einem Fluss in der Nähe, bauen Süßkartoffeln an, Wassermelonen und Frühlingszwiebeln. Mandarinen, Bananen und Kokosnüsse wachsen wild. Für die etwa 500 Insulaner der Region ist Yaohnanen zentraler Anlaufpunkt. In der Dorfmitte treffen sich die Einheimischen an zwei riesigen Feigenbäumen und berauschen sich mit Kava, dem Gebräu aus den Wurzeln des Pfefferbaums.
In Vanuatu sind Hexerei und Aberglaube noch allgegenwärtig. Und so glauben die Bewohner auch felsenfest, dass Philip eines Tages zurückkehrt als Heilsbringer, der sie von Krankheit und Tod befreit. „Als Philip ein kleines Kind war, prophezeiten ihm alle unsere Großväter, dass er eines Tages die Welt regieren würde“, erklärt Natuan. „Wir glauben, dass Philip hörte, dass es in England eine Königin gibt. Sie war bereit, ihn zum König zu machen, deshalb beschloss er, sie zu treffen.“
Britische Behörden haben die sonderbare Prinz-Philip-Bewegung in den späten 70er Jahren untersucht. Ihren Recherchen zufolge könnten sich die Dorfbewohner den Herzog von Edinburgh auserkoren haben, weil er Vanuatu 1971 besuchte. Sie verknüpften ihn dann mit einer uralten Legende der Insel, wonach ein hellhäutiger Sohn heimkehrt. Natuan hörte die Geschichten von seinem Großvater, einem verstorbenen Häuptling des Dorfes. Auch den Kindern von Yaohnanen wird der Prinzenkult gelehrt.
Der Anthropologe Kirk Huffman aus Sydney lebte fast zwei Jahrzehnte in Vanuatu und erforschte Sitten und Gebräuche des Pazifikstaates. Für die britische Regierung untersuchte er die Prinzen-Verehrung. „Man muss das im historischen Kontext sehen und ernst nehmen“, betont er. „Die Leute suchen eine verlorene spirituelle Verbindung“ zur Außenwelt. In anderen Dörfern auf Tanna huldigen die Einwohner John Frum, einem hellhäutigen Fremden, der in den 30er Jahren auf die Insel kam. Auch sie glauben an eine „Rückkehr“ ihrer Gottheit und hoffen, dass Frum Radios und Autos mitbringt – wie die während des Zweiten Weltkriegs dort stationierten US-Soldaten.